Herbst in Albanien

Da wir im Jahr 2024 auf vielfachen Wunsch eine Albanienreise anbieten möchten, ist es höchste Zeit für eine Rekognoszierungstour. Während knapp 10 Tagen reisen wir durch den Balkanstaat, hier unsere Eindrücke von unterwegs:

Eine Albanienreise per #ZugStattFlug beginnt natürlich schon einiges vor dem Grenzübertritt. Albanien ist von der Schweiz aus am einfachsten via Italien zu erreichen. Eine Nachtzugfahrt führt uns daher nach Bari. Für einmal wählen wir dabei nicht den Nachtzug ab Mailand, sondern den ab Turin – dort hats noch mehr Platz zur Verfügung bei spontaner Buchung, und ein Abend in Turin ist immer nett. Turin erreicht man auch ohne teuren Hochgeschwindigkeitszug (FrecciaRossa) mit Regionalzügen ab Domodossola mit Umsteigen in Novara. Ein Stadtspaziergang in der lauen Abendsonne, natürlich inkl. Apéro, ein feines piemontesisches Znacht, und dann eine geruhsame Fahrt nach Lecce.

Wieso nach Lecce? Wir waren noch nie dort, möchten noch ein wenig Italien geniessen – und die Abfahrtszeit der Fähre am Abend ab Bari, das ja ganz in der Nähe ist, passt uns besser. Ein Aufenthalt in dieser Barockperle lohnt sich ohnehin, und sei er noch so kurz. Nach wenigen Stunden bringt uns der Zug nach Polignano a Mare für einen kurzen Stopp – dann gehts weiter nach Bari. Wir erhalten den Eindruck, dass fast jede/r, mit dem/der wir sprechen, im vergangenen Sommer in Albanien war. Das Land ist definitiv zum Reiseziel für viele Italiener*innen geworden.

Die Fährüberfahrt, vor der man – betrachtet man die Google-Rezensionen – vielleicht negativ voreingenommen ist, ist im positiven Sinne ereignisarm. Bargeld nicht vergessen, und aus der Schweiz unbedingt ein paar Euromünzen oder -scheine mitbringen; die Bordverpflegung ist zwar nicht zu empfehlen (besser in Bari speisen vor der Abfahrt), aber vielleicht möchte man ja mit einem Bier auf die bevorstehende Reise anstossen.

Am nächsten Morgen erblicken wir die Skyline von Durres, kommen pünktlich im Hafen an, widmen der Stadt dieses Mal aber keine Zeit, sondern fahren mit dem erstbesten Minibus in die Hauptstadt Tirana. (Es gäbe eine Bahnlinie, auf der bis vor wenigen Jahren ab und zu Züge mit Begegnungszonen-Tempo – also etwa 20-30km/h, wenn überhaupt – verkehrten; der Hauptstadtbahnhof wurde jedoch geschlossen, und die Linie wird, mit unklarem Enddatum, saniert). In Tirana machen wir einen Spaziergang von der Busstation, von wo die Busse nach Durres und an die albanische Riviera fahren, zur Busstation, die den Nordosten des Landes bedient. Unser nächstes Ziel ist der Ohridsee.

Mitten durch die Berge, an Elbasan (wo wir im Vorbeifahren die spektakulären Street-Art-Gemälde/’Murales’ bewundern) vorbei, mit einem kurzen Stopp zur Verpflegung bei einem Strassencafé erreichen wir nach etwa 3 Stunden Fahrt den Ohridsee. Der Ohridsee ist einer von weltweit nur wenigen Langzeitseen, die mehr als eine Million Jahre überdauerten. Hier in der Nähe haben Forscher u.a. der Uni Bern vor kurzem die ältesten Pfahlbauersiedlungen Europas entdeckt – herausragende Zeugen der Ausbreitung des Ackerbaus und der Sesshaftigkeit! In Pogradec nehmen wir ein Bad im noch sommerlich warmen See – im Unterschied zur Sommersaison haben wir den Strand quasi für uns alleine. Von Pogradec aus erreichen wir bald Korça, wo wir in der ‘Villa Borghese’ übernachten. Ein Abendessen in einem traditionellen Restaurant und ein Spaziergang durch das alte Händlerviertel, das komplett restauriert wurde und heute touristisch genutzt wird, runden den Tag ab.

Die Angaben zum ÖV, die man online findet, sind in Albanien immer mit einer Portion Vorsicht zu geniessen. Der von uns anvisierte morgendliche Bus ins Tal des Vjosa-Flusses, nach Permet, existiert nicht. Das ermöglicht uns, noch für ein paar Stunden Korça zu geniessen, insbesondere die Atmosphäre am Markt, wo alles, von Landmaschinen über heimisches, sonnengereiftes Gemüse bis zu selbstgefangenen Singvögeln im Käfig verkauft werden. Dann fahren wir los Richtung Permet, aufgrund von Bauarbeiten und mangelnden Asphaltbelags oft mit nicht viel mehr als Schritttempo. Dafür hat man mehr von der Aussicht auf das Grenzgebirge zu Griechenland (in Fahrtrichtung links). Der Linienbus dient dabei auch als informelles Post- bzw. Kuriernetzwerk: was hier nicht alles ein- und ausgeladen wird! Menschen stehen auf die Minute pünktlich an der staubigen Schotterstrasse, um Bestellungen wie Milch, Kleidung, oder gar einen Mini-Pizzaofen entgegen zu nehmen. Auch die Töchter eines Agro-Tourismusbetriebs weiter unten im Tal nehmen Platz im Bus – sie wurden von den Eltern, die nichts von der Schule in Leskovik (wo wir bald ankommen) halten, in eine weit entfernte Schule geschickt, nutzen den Bus als Schulbus – und profitieren von der Gelegenheit, mit allen Tourist*innen ihr bereits sehr gutes Englisch zu üben.

Kräftig durchgeschüttelt, erreichen wir das Gebirgsstädtchen Leskovik nahe der griechischen Grenze. Hier wird auch bereits Griechisch gesprochen. Wir entscheiden uns spontan zur Übernachtung – in einer Destillerie neben einer uralten Platane. Ein kurzer Abendspaziergang führt uns zwei-drei Strassenserpentinen bergaufwärts, wir geniessen den Sonnenuntergang und das 180°-Panorama mit Blick sowohl auf den Bergzug, der das Vjosa-Tal nach Süden abriegelt, als auch auf das Massiv des Smolikas/Grammos in Griechenland.

Am nächsten Tag gehts von Leskovik Richtung Vjosa. Aber auf Empfehlung unseres Gastgebers planen wir zuerst noch einen Abstecher zu den Sarandaporos-Thermalquellen (ein echter Geheimtipp, hier könne man ein Schwefelbad an/in einem Grenzfluss zu Griechenland nehmen). Wir machen uns zu Fuss auf den Weg – werden aber alsbald von der Polizei aufgegabelt. Sind wir etwa unerlaubterweise auf der falschen Strassenseite marschiert? Oder eine verbotene Grenzzone betreten? Oder mögen sie unseren Autostoppversuch nicht goutieren? Nichts davon – an diesem Morgen ist die muntere Truppe unser Freund und Helfer, und nimmt uns mit auf ihre Patrouille, die zufälligerweise genau an unser Ziel führt – und sogar noch ein paar Meter weiter: Im geländegängigen Landrover, der immer wieder mit seinem Alter zu kämpfen hatte, erhalten wir so eine Exkursion entlang des Sarandaporos bis in eine kleine Schlucht, die sich bereits auf griechischem Gebiet befindet. Aber wir sind ja mit der Grenzpolizei unterwegs, somit kein Problem!

Nach dem Bad gehen wir, schön geschwefelt, zu Fuss zurück..der Weg scheint uns viiel länger als auf der Hinfahrt. Ein Gewitter zieht auf – buchstäblich in der letzten Sekunde haben wir erneut Autostopp-Glück, drei abenteuerlustige BelgierInnen lassen uns sich in ihr bereits ziemlich beladenes Mietauto quetschen. Nun sind wir endlich an der Vjosa – allerdings ist sie selbst am berühmten Viewpoint durch die Bindfäden des herunterprasselnden Regens kaum zu sehen. Als sich nahe der Stadt Permët der Regen lichtet, sehen wir den ungezähmten Gebirgsfluss – Kommentar der Belgierin: “it’s not so wild, I thought it would be wilder”.

Permët ist Ausgangspunkt für Riverrafting- und Wandertouren, und selbst Mitte Oktober noch voller Tourist*innen. Am zentralen Platz sieht man sich jeweils wieder, die älteren Bewohner der Ortschaft gehen in bester Sonntagskleidung spazieren; spannend insbesondere die in einem Holzanbau an einen sozialistisch-klassizistischen zerfallenden Bau eingepferchte orthodoxe Kirche, wo unter beängten Platzverhältnissen ein Gottesdienst zelebriert wird. Wir spazieren der Vjosa entlang durch die Hügel, flussaufwärts. Auf der ganzen Wanderung werden wir von der aus einem Hochzeitslokal dröhnenden Musik begleitet. Eine kleine Beiz direkt an der Vjosa lädt zur Stärkung mit Souvlaki, Tzatziki und Mythos-Bier ein. In der Nähe befindet sich ein weiteres natürliches Thermalbad an einem Nebenflüsschen der Vjosa, im Unterschied zum Vortag hier mit hunderten Tourist*innen, aber auch Einheimischen, die das Wochenende geniessen. Malerisch – aber eindeutig überlaufen, selbst jetzt am Ende der Saison.

Ein ganz besonderer Ort ist das kleine Dorf Leuse, ein halbstündiger Fussmarsch von Permet entfernt. Hier befindet sich eine sehr sehenswerte orthodoxe Kirche, deren Bemalung die Zeit des radikalen Atheismus überdauert hat. Ein Dorfbewohner hat den Schlüssel und lässt uns Touristen rein, während er draussen eine-zwei Zigaretten raucht. Von Leuse aus lässt sich auch eine Wanderung über den Bergkamm ins parallel zum Vjosa-Tal verlaufende Zagoria-Pass unternehmen; der nicht allzu hohe Dhembel-Pass lässt sich über einen allerdings recht steilen Bergpfad erreichen. Unser Guesthouse bietet eine Aussicht über das ganze Tal, unter einem Granatapfelbusch erhalten wir unser Nachtessen serviert – das Gastgeberpaar hat hier eine wunderbare Oase geschaffen.

Vorbei an Tepelene – Geburtsort des berühmt-berüchtigten Ali Pascha – gehts nun per Bus nach Gjirokastra. Wer schon Romane Ismail Kadares gelesen hat, dem kommt diese Stadt aus Stein sicher bekannt vor. Wir besichtigen das Kadare-Museum und das ethnographischen Museum im rekonstruierten Geburtshaus des Diktators Hoxha. Während eines Kaffees sehen wir dem Abdrehen eines Musikvideos zu: Utensilien aus vergangenen Jahrzehnten werden angeschleppt, eine sehr junger Geiger unter einer Säule auf einem Hügel platziert, eine Drohne steigt in die Luft und der Sänger setzt sich in Szene ..

Und dann brechen wir auf Richtung Griechenland. Linienbusse fahren selten, auch wenn der Bedarf zweifellos vorhanden wäre. Deshalb nehmen wir ein Taxi an die Grenze, überqueren diese zu Fuss, und warten auf den griechischen Bus der KTEL, der uns bald abholt und ein paar Kilometer weiter an einer Strassenkreuzung nahe Konitsas absetzt. Eine Stärkung (mit Souvlaki – what else? – sowie griechischen Köstlichkeiten zum Dessert) muss sein, erneut wagen wir unser Glück beim Autostopp. Ein Handwerker hält an, und fährt uns bis ins Stadtzentrum von Konitsa. Auf dem Weg ist der Blick auf das Tymfi-Massiv ein Wow-Moment, wir werden diesen Berg am nächsten Tag noch von etwas näher sehen. Da entfernte Verwandte der Frau des Handwerkers auch in der Schweiz wohnen, will er uns unbedingt auch seiner Frau vorstellen, schliesslich landen wir in seinem Garten zu einem Getränk. Ah, wir seien aus Albanien, aus Leskovik angereist? Er habe da einen Freund. Und kaum mehr als eine Minute später kreuzen wir diesen auf unserer Fahrt. Eine sehr sympathische Begegnung.

Konitsa war im griechischen Bürgerkrieg umkämpft; General Markos versuchte sie mehrfach erfolglos einzunehmen und zur Hauptstadt eines – kommunistischen – nordgriechischen Staates zu machen. Der Höhenunterschied zwischen dem Talgrund – wo sich, direkt neben einer alten Brücke unser Hotel befindet – und dem Zentrum des Dorfes bergaufwärts ist beträchtlich und sorgt sicher für eine gute Grundfitness bei all denjenigen, die kein Auto besitzen. Das sei einer der kältesten Flüsse überhaupt, warnt man uns, was uns aber nicht von einem Bad in der Abendsonne abhält. Am nächsten Tag wandern wir entlang des kristallklaren Voidomatis-Flusses während ein paar Stunden flussaufwärts, und landen im Dorf Vikos – mit grandioser Sicht auf die gleichnamige Schlucht, und das Tymfi-Massiv. Bevor uns das Taxi zurück nach Konitsa führt, nehmen wir ein Zvieri mit Sicht auf die Orte in Albanien – Leskovik, das Vjosa-Tall, das Nemerecka-Massiv – wo wir die Tage zuvor waren.

Es heisst an die Heimreise zu denken; wir entscheiden uns, da wir nun schon in Griechenland sind, für eine Rückreise per Fähre via Igoumenitsa. Deshalb fahren wir per Bus nach Ioannina, der Metropole von Epirus, letzter Rückzugsort des aufständischen Ali Pascha (dem aus Tepelene). Eine Bootstour auf dem See liegt zeitlich nicht mehr drin – aber ein Nescafé-Frappe natürlich schon. Im Sonnenuntergang bringt uns ein weiterer Bus ans Mittelmeer. Igoumenitsa ist alles andere als sehenswert, aber als letzter Stopp vor dem Einchecken auf der Fähre geniessen wir den Abend bei griechischem Essen und einem Cocktail.

Am nächsten Morgen treffen wir pünktlich in Bari ein, wir haben sogar genügend Zeit fürs Zmörgele, bevor wir mit Hochgeschwindigkeit zurück in den Norden fahren – stundenlang entlang der Adria, bei Rimini dann landeinwärts nach Milano, durchs Tessin und, aufgrund Sperre des Basistunnels, wieder einmal am Chileli von Wassen vorbei, lassen wir die vergangenen 10 Tage Revue passieren. Albanien sieht uns bald wieder, soviel ist gewiss – zu entdecken gibt es eine Menge!

Jahresrückblick 2022 – Teil 5: Berlin-Batumi, Hermsdorf-Hayastan..

Nein, das waren keine Reisen, die wir tatsächlich in der Form unternommen haben. Vielmehr wurde in Berlin (Hermsdorf) die Reisesaison 2023 geplant bei einer novemberlichen Retraite (erster Schnee inkl.!). Gedanklich waren wir also bereits an der Schwarzmeerküste (Batumi) oder in Armenien (Hayastan), während wir in der warmen Stube sassen, oder abends durch die Station Bornholmer Strasse stapften, kreuz und quer durch die Stadt fuhren – etwa um im böhmischen Restaurant in Glienicke den Sonntag ausklingen zu lassen. Fulminanter Endpunkt der Retraite – das Konzert von Okean Elzy, der grössten ukrainischen Band, die im Berliner Tempodrom spielte.

So waren denn die Köpfe am Rauchen bei der Detailplanung der Reisen, die wir im September vorgestellt hatten. Ach ja, das Astra-Tours-Fest: man sollte es nicht verpasst gehabt haben! Mit köstlichen Speisen aus ganz Osteuropa wurden unsere Gäste verwöhnt – ob der ganzen kulinarischen Genüsse wurden die Reisen 2023 vorgestellt. Getraut euch also gerne zu kommen, wenn wir das nächste Mal zum kulinarischen Werbeevent einladen – ihr findet hier ein paar Argumente fotografisch verewigt!

Und damit wünschen wir allen einen guten Rutsch und stossen mit euch an aufs neue Jahr 2023!

Jahresrückblick 2022 – Teil 4: Wo wir uns sonst noch so rumtrieben im vergangenen Jahr..

Natürlich waren wir nicht bloss auf den von uns geleiteten Astra-ToursGruppenreisen unterwegs, sondern unternahmen auch privat die eine oder andere Reise:

Armenien

Auch wenn die Astra-Tours-Reise erst 2023 stattfindet – jemand von Astra-Tours hat Armenien bereits ausgiebig erkundet im vergangenen Jahr! Als erstes Schmankerl hier der wunderschöne Araratblick im Abendlicht! Weitere Eindrücke aus Armenien folgen.

Tsqaltubo, Georgien

Stellvertretend für zahlreiche Abstecher im Südkaukasus (Georgien, Armenien): Tsqaltubo bei Kutaisi in Zentralgeorgien – hier befand sich während Sowjetzeiten eines der bedeutendsten Sanatorien mit Zehntausenden Gästen jährlich. Heute zerfallen die Zeugen der Bäderkultur. Andere Bauten sind seit langen Jahren von aus Abchasien Geflüchteten bewohnt, die hier unter schwierigen Umständen leben. Die Ruinen sind ein eindrückliches architektonisch-historisches Zeugnis.

Berlin-Basel mit Abstecher durch Tschechien

Von Berlin zurück nach Basel gehts natürlich ganz einfach mit einer der dutzenden täglich verfügbaren Verbindungen – oder stilvoll mit dem Nachtzug. Aber ein Abstecher durch Tschechien ist auch ganz nett! Umso mehr, da Tschechien nun wirklich das Land ist, wo sich gemütlich Bahn fahren lässt (saubere, pünktliche Züge, oft noch mit schönen Abteilwagen). Via Dresden und Bad Schandau gelangt man nach Decin und Usti nad Labem – dort kann ein Umstieg von wenigen Minuten gelingen, und so wird eine einstündige Pause fürs Mittagessen in Chomutov oder – in diesem Fall – Klasterec nad Ohri möglich (Café Kelly ist der Ort der Wahl). Von dort aus schlängelt sich der Zug weiter einem Flüsschen entlang nach Karlovy Vary und Cheb – via Nürnberg erreicht man München und den Eurocity nach Zürich, und ist noch vor Mitternacht zurück in der Schweiz. Naja, fahrplangemäss.. In der Praxis kommt dann wohl noch ein Geschenk der Deutschen Bahn in Form einer spendierten Übernachtung in einem formidablen Hotel auf einen zu (beliebigen Verspätungsgrund hier einfügen). Auch ganz nett, besonders das Frühstücksbuffet!

Durchs verschneite Südpolen und die Slowakei

Was gibt es Gemütlicheres, als im gut beheizten Abteilwagen durchs Schneegestöber unterwegs zu sein! Eine kleine Tour von Zürich mit dem Nachtzug nach Wien, und von dort weiter mit dem Eurocity nach Przemysl – einer der interessanteren Eurocity-Verbindungen überhaupt! (Übrigens – bald soll dieser Zug SBB-Panoramawagen mitführen, die so bis fast an die polnisch-ukrainische Grenze gelangen. Sobald Frieden einkehrt, reisen wir mal auf diesem Weg in die Ukraine). Neben Arbeiten im Train-Office und Entspannen zu Schubert&Co. wurde auch das kulinarische Angebot in Bahnhofsbuffets, -cafés und an Bord des Zuges getestet. Zurück gings via die Berge Südpolens bzw. der nördlichen Slowakei: atemberaubende Sicht auf die Sterne bei klirrender Kälte! Wie gut, dass noch ein warmes Hotelzimmer in einer slowakischen Kleinstadt bereit stand. Daraufhin am nächsten Tag durch die komplett verschneite Slowakei zurück in den Westen. Die Sicht auf die Berge bei Poprad, wenn unvermittelt das zackige Massiv auftaucht: unvergleichlich! Und schon bald ist man wieder zurück in Bratislava und Wien – dem Dreh- und Angelpunkt so mancher Reise ostwärts.

Spanien – Berlin-Valencia

Für einen Verwandtenbesuch nach Valencia aus dem Norden Deutschlands – das geht! (vorausgesetzt, man hat ein wenig Sitzleder – und ist Fan langer Bahnfahrten. Was wir aber alle drei natürlich sind). Manchmal brauchts in Spanien ein bisschen Kreativität und Fahrplanlesekünste beim Planen – oder gute Beratung. Aber ist man mal da auf der Iberischen Halbinsel, ist das Reiseerlebnis grossartig! Mal kurz auf eine Horchata de Chufa – ein erfrischendes traditionelles Erdmandelgetränk Katalaniens – nach Alboraya bei Valencia – wir könnens empfehlen!

Zügig durch Italien

Das südliche Nachbarland der Schweiz brauchen wir eigentlich niemandem vorzustellen, dass sich eine Reise hierhin meistens lohnt hat sich unlängst herumgesprochen. Und doch gibts immer so viel zu entdecken! Was vielleicht gar nicht allen bewusst ist: Italien besitzt ein respektables Nachtzugnetz (Intercity Notte). So werden auch Destinationen weit im Süden, bis nach Sizilien, mit einem Umstieg in Mailand sehr gut erreichbar. #ZugStattFlug – dafür ist Italien erste Wahl. Mittlerweile ist es dank der unglaublich hohen Frequenz der Schnellzüge Frecciarossa und Italo absurd geworden, aus der Schweiz nach Rom zu fliegen. Zeit gewinnt man dadurch sicher nicht. Aber auch nach Lecce, Bari, Napoli, Sizilien lohnt es sich, per (Nacht-)Zug anzureisen.

Mit der Schmalspurbahn mit wunderbaren Dieseltriebwagen mal kurz um den Ätna kurven? Mit den Trams von Rom in wenig touristischen, aber umso interessanteren Aussenquartieren landen? In weniger als 2 Stunden den Vesuv umkreisen? Nachtzugfahrten geniessen (mit Sparpreisen, die preislich unglaublich attraktiv sind). Das macht immer wieder aufs Neue Spass!

Jahresrückblick 2022 – Teil 3: Slowenien im Herbst

Slowenien im Herbst – das war die letzte Reise von Astra-Tours im Jahr 2022! Und was für ein Abschluss des Reisejahrs: viele warme sonnige Tage im nahegelegenen Alpenland! Das Beste: Slowenien liegt nur eine kurze Nachtzugfahrt nach Zürich entfernt. Nach einer geruhsamen Nacht im Schlafwagen ist man dort.

Die wunderschöne Hauptstadt Ljubljana mit ihrer quasi mediterranen Atmosphäre, dem schönen Markt, einem Foodfestival mit traditionellen slowenischen Speisen und Weinen, ihren Gässchen, ihrer Architekturgeschichte (Plecnik!) .. das brachte uns unser Guide bei einem Spaziergang näher. Den Sonnenuntergang auf der Burg betrachten .. dann gings zu einem exquisiten Abendessen.

Nun verliessen wir die grösste Stadt des Landes und begaben uns in einen dünn besiedelten, ländlichen Winkel Sloweniens: ein rechter Kontrast! Petra, passionierte Fotografin, Naturliebhaberin, Rangerin, .. kennt die Region Kocevje wie ihre Westentasche. Sie lernte uns, den vermeintlich so bekannten Wald mit neuen Augen zu sehen. Wir genossen das Unterwegssein in der Natur mit kurzen Wanderungen im Grenzgebiet zu Kroatien. Obwohl die Region unglaublich bärenreich ist: den Bären sahen wir nicht. Aber vielleicht spürte der eine oder die andere trotzdem seine Präsenz hier ganz in der Nähe .. ? Nach einem üppigen Mahl genossen wir die weichen Betten in der Jugendstilvilla, in der wir nächtigten.

Mit einem komfortablen Bus verliessen wir Kocevje zwei Tage später, sahen uns den See von Cerknisko an (dieser See ist im Frühling einer der grössten Seen des Landes, bis er im Sommer fast vollständig austrocknet, und sich im Herbst und dann im Frühling erneut füllt durch die Regenfälle) bei einem Znünistopp – und besichtigten dann die vielleicht meistbesuchte Sehenswürdigkeit Sloweniens, die Höhlen von Postojna. Ein Zvieri gabs nach der Fahrt im Zug und dem Spaziergang durch die kühlen Grotten dann mit Blick auf die Burg Predjama. Kulturgenoss beim Betrachten der Fresken der Wehrkirche von Hrastovlje! Und abends waren wir schon am Meer, in der Stadt Izola.

Tropfsteinhöhle von Postojna

Ein freier Tag an der Adriaküste führte manche nach Piran, oder nach Strunjan. Andere radelten im Hinterland durch die Olivenplantagen und Rebberge. Abends genossen wir die Mahlzeit im besten Restaurant von Izola – Fisch und passende Weine, ein Gaumenschmaus!

Blick auf Piran

Mit einer morgendlichen Besichtigung der nördlichsten noch funktionierenden Salzgewinnungsanlage der Adria, derjenigen von Secovlje (gemäss einem japanischen Professor das wohl beste Salz der Welt!), beendeten wir unseren Aufenthalt an der Küste. Stärkung im Lokal Sarajevo84 in Koper bei Cevapcici, und Zugfahrt in den Norden, nach Bled.

Salinen von Secovlje

Wandern in Bled bei prächtigem Herbstwetter! Und eine komfortable Berghütte mit 2er-Zimmern, Sonnenaufgangsblick, Wolfsgeheul nur wenige Kilometer entfernt zu hören .. viel mehr muss man dazu nicht sagen!

Sonnenaufgang aus dem Speisesaal der Hütte Dom na Komni

Zurück am See von Bled für eine weitere Nacht im alten Pfarrhaus; und dann mit der Bahn nach Nova Gorica/Gorizia: Frau Altieri, aus dem nahe gelegenen Cormons, erzählte von der Zeit der Trennung der Stadt (und zuvor), die spätestens seit dem EU-Beitritt Sloweniens endlich aufgehoben ist. Bald wird Nova Gorica auch EU-Kulturhauptstadt!

In Nova Gorica

Im Karst gabs am Nachmittag ein Zvieriplättli in einer sogenannten Osmiza (eine slowenische Besenbeiz), eigene Fleischprodukte und Wein – ein Muss bei jedem Besuch im Umland von Triest.

Osmiza “Na Punkišči” in Malchina/Mavhinje bei Triest

Und dann Triest: ein Abend hier reicht definitiv nicht aus, um die Stadt zu erfassen, wir kommen wieder! Besuch im slowenischen Theater, Abendessen, ein Bier in einer Bar oder ein Spaziergang am Hafenquai – jede/r genoss den Abend hier. Am Sonntagmorgen zeigte uns Alenka Vazzi das slowenische Triest, das mit einiger Verunsicherung auf die neue politische Situation Italiens blickt, nach der schmerzvollen Geschichte des 20. Jahrhunderts.

Theatervorstellung im slowenischen Theater in Triest

Eine letzte Portion Pasta alle Vongole – dann fuhr der Zug nach Venedig/Milano/Bern und Zürich – es war ein Genuss, Slowenien zu bereisen, ein Privileg, mit einer tollen Gruppe unterwegs zu sein – und wir freuen uns schon jetzt auf ein Wiedersehen!

Jahresrückblick 2022 – Teil 2: Reise ins Baltikum

An einem Freitagabend Mitte Juli gings dann endlich los auf unsere erste Reise im Jahr 2022: sie führte uns ins Baltikum. Man besammelte sich am Bahnhof in Basel – was passte, denn zwei Drittel der Mitreisenden stammten aus Basel – zu einem ersten Kennenlernen beim Kaffee, bevors dann hiess: alle einsteigen! Am Samstagmorgen kamen wir in Berlin an, die einen ausgeruhter, die anderen weniger .. Kilian begrüsste die Gruppe – wir stärkten uns bei einem Frühstück im Hauptbahnhof mit Kaffee, Brötchen und etwas Süssem, einige nutzten die Zeit für einen Spaziergang einmal Brandenburger Tor und retour – bevor uns Kilian verabschiedete und wir Richtung Warschau fuhren.

Eine gemütliche Fahrt, zu einem guten Teil im Speisewagen. Mit einem weiteren Umstieg gelangten wir ins polnische Bialystok. Mit wunderbaren Pierogi zum Abendessen lauschten wir noch ein paar Takte Musik beim Openairkonzert, das an diesem lauschigen Sommerabend stattfand, und ruhten uns dann im Hotel Esperanto aus.

Am nächsten Morgen gings nach Litauen – der Taxifahrer, der einen Teil der Gruppe nach Kaunas fuhr, konnte es kaum fassen, obwohl sehr nahe gelegen, war er selbst zuvor noch nie in der europäischen Kulturhauptstadt 2022. Terese, eine Dozentin der Uni Kaunas, führte uns in die spannende Geschichte dieser Stadt ein. Sie zeigte uns während eines ausgedehnten Spaziergangs verschiedene Facetten ihrer Stadt, wir genossen den Sonnenaufgang am Fluss Nemunas; abgerundet durch georgische Speisen ein wunderbarer erster Reisetag im Baltikum!

Kaunas weist jedoch neben aller Schönheit auch beklemmende Seiten der Geschichte auf; wenige Kilometer vor der Stadt gelegen, ist das IX. Fort während des 2. Weltkriegs zu einem der furchtbarsten Orte der Massenverfolgung und -vernichtung geworden. Das Museum des IX. Fort war geschlossen, doch die bedrückenden gigantischen Betonskulpturen aus sowjetischer Zeit, die den Opfern der Vernichtung an diesem Ort gewidmet sind, vermittelten in Kombination mit dem Gelesenen, den Inschriften und Infotafeln ein Bild der hier verübten Verbrechen.

Von Kaunas gings – mit einem Zwischenstopp im besuchenswerten Loko Café in Lentvaris – weiter in die alte litauische Stadt Trakai. Touristenmagnet ist hier vor allem die (rekonstruierte) mittelalterliche Wasserburg; doch mindestens ebenso spannend ist die Geschichte der Minderheit der Karäer, einer turksprachigen ethnisch-religiösen Gruppe, von denen einige Dutzend noch heute hier leben. Es traf sich ausgezeichnet, dass unsere Gastgeberin in einem karäischen Restaurant selbst so einiges zu erzählen wusste!

Am frühen Abend gings weiter nach Vilnius, der litauischen Hauptstadt. Einige liessen es sich nicht entgehen, einem Openair-Konzert zur Feier des 699-Jahre-Jubiläums der Stadt beizuwohnen, mit litauischen Popstars und einem launischen eingeflogenen Weltstar (bekannt aus Spotify). Der Schweizerische Übersetzer Markus Roduner führte uns am nächsten Nachmittag durch die literarische Geschichte Litauens und Vilnius’, wir landeten am Schluss bei einem Bier im malerischen Viertel Uzupis.

Vilnius-Daugavpils, das war die nächste Etappe, so weit es ging (bis an die litauisch-lettische Grenze) mit dem Zug, weiter per Bus dann ins ehemalige Dünaburg, der lettischen Stadt im Osten des Landes, wo viel Russisch gesprochen wird. Unter anderem der Kunstmaler Mark Rothko stammt von hier. Der majestätische Fluss Daugava und vor allem dann die sehr dünn besiedelte Seenlandschaft im Osten Lettlands faszinierten!

Nach dem Besteigen eines der höchsten Berge Lettlands (ohne Sauerstoff!) landeten wir in Rezekne, wo uns eine besondere Perle erwartete: eine von einst vielen Synagogen in dieser Kleinstadt, und zwar eine hölzerne. Behutsam restauriert, ist sie heute ein Kleinod, das sich aus einer Zeit erhalten hat, wo Rezekne eine mehrheitlich jüdische Bevölkerung hatte.

Noch war das Ziel der heutigen Tagesetappe nicht erreicht: wir hatten den Schmalspurzug Gulbene-Aluksne zu erreichen, im Nachhinein eines der Highlights der ganzen Reise! Durch die Landschaft zuckelnd, stellt diese kurze Strecke den Rest eines einst ausgedehnten (Schmalspur-)Bahnnetzes dar. Wunderbar begleitet vom Zugpersonal und zwei unterwegs zugestiegenen Musikanten fährt man bei Tempo 30, in unserem Fall mit Trompetenklängen untermalt, durch die Moor- und Waldlandschaft. An der Endstation angelangt, wartete ein saftiger Burger auf uns im Bahnhofsrestaurant!

Von Lettland nach Estland ins Setomaa – das war die nächste Etappe: Die Seto sprechen eine dem estnischen nah verwandte Sprache, und sind im unterschied zu den meisten ethnischen Esten orthodox. Wir sahen uns eine kleine hölzerne Kirche an, die von einer älteren Seto-Frau liebevoll gepflegt wird, und wohnten im Museum einer Einkleide-Zeremonie bei, indem eine Teilnehmerin unserer Reisegruppe in eine traditionelle Seto-Tracht eingekleidet wurde – was ziemlich aufwendig ist! Heute sind die Seto leider durch die Grenze mit Russland geteilt, und können ihre Kirchen und die Grabstädten ihrer Verstorbenen oft nicht mehr besuchen.

Eine Nacht und ein Tag am Peipus-See, einem der grössten Seen Europas – Velotour durch die Landschaft, und den Sandstrand geniessen mit Beachvolleyball, Lesen, Standup-Padeln.

In Tartu, der zweitgrössten estnischen Stadt, verbrachten wir zwei Nächte; den Tag dazwischen verbrachten wir in Viljandi am schönen Folkmusic-Festival: gute Musik aus der ganzen Welt auf dem Gelände der Burgruine des Deutschen Ordens und darum herum. Wir hörten uns Bands aus Israel, Norwegen, Finnland, Estland, Schottland, .. an.

Und dann gings ab auf die Insel: die Ostseeinsel Kihnu beeindruckte mit dem Naturschauspiel ihres Sonnenuntergangs!

Von Kihnu via die estnische “Sommerhauptstadt” Pärnu mit dem komfortablen Linienbus nach Riga. Die grösste Stadt, die wir unterwegs besuchten, und zweifellos auch wert, eine ganze Woche besichtigt zu werden! Alleine die Jugendstilbaudenkmäler.. Nach einem Einblick durch eine sachkundige Stadtführerin am Vorabend erkundigten am nächsten Tag alle die Stadt und Umgebung auf eigene Faust: Marktbesuch, Okkupationsmuseum, Museum der Volksfront, Orgelkonzert im Dom, die berühmten lettischen Streuselkuchen, oder ein Schwumm am Strand von Jurmala..es wurde bestimmt niemand langweilig in der lettischen Hauptstadt!

Ein Abstecher in ein Moor muss auf einer Baltikumsreise auch sein: in Kemeri kann ein Moor auf einem Holzpfad besucht werden, ohne sich die Schuhe nass zu machen. Nach Kemeri peilten wir unseren letzten Übernachtungsort auf dem baltischen Festland an – die Spitze der Halbinsel Kurland. In Kolka, dem ehemaligen livischen Fischerdorf bestaunten wir den Sonnenuntergang. Und speisten in den Baumwipfeln des Ostseestrands: tafeln zwischen Föhren an der frischen Luft – wie schön!

Mit dem Bus die Küste runter, ein kurzer Stopp in Mazirbe, einen Blick ins livische Kulturzentrum werfend: die Liven sind eine Minderheit Lettlands mit vor kurzem ausgestorbener Sprache; das kulturelle Erbe wird jedoch gepflegt, etwa an Summer schools wie der, die gerade stattfand. In Irbene sieht man mitten im Wald ein sowjetisches Radioteleskop auftauchen, das heut noch genutzt wird. In Ventspils – Hafenkranromantik! Und schon sind wir in Liepaja, der Endstation unserer Reise: nochmals ein Bad am Ostseestrand (ein wenig bevölkerter als der von Kolka) .. und: ab auf die Fähre nach Travemünde (Lübeck)! Transfer nach Hamburg am nächsten Abend – je nach gewählter Option direkte Fahrt nach Basel, oder eine Nacht in Hamburg – und wir sind am Ende unserer Baltikumsreise 2022 angelangt!

Jahresrückblick 2022: So starteten wir ins neue Reisejahr

Das Jahr 2022 hatte ja optimistisch begonnen – ein Ende der Corona-Pandemie (bzw. der damit verbundenen Massnahmen) zeichnete sich ab, Anfang Januar schien einneuer Aufschwung nach den zwei langen Coronajahren nur noch eine Sache von Wochen zu sein. Das war schlussendlich auch so – kaum jemand aber schien zu glauben, dass die parallel zum Ende von Corona laufenden Kriegsvorbereitungen Putins nicht “bloss” eine Drohkulisse darstellten, sondern sehr bald bitterer Ernst werden sollten.

Noch aber rechneten wir mit einem schönen Reisejahr, und starteten voll Elan in unsere zweite Saison: wir hatten im Dezember 2021 ganze 9 Reisen in so unterschiedliche Länder Osteuropas wie Tschechien, die baltischen Staaten, Rumänien, Slowenien, Georgien und Armenien vorgestellt, erste Anmeldungen waren eingetrudelt, wir tätigten Hotelbuchungen und hielten uns up to date, was die recht unvorhersagbare Rückkehr gewisser Zugverbindungen in peripheren Regionen Europas betraf. Und – endlich hatten wir auch ein eigenes Logo, wobei es uns nicht leichtfiel, sich zwischen verschiedenen Farbvarianten und Inhalten zu entscheiden. Wir hegten die Hoffnung, mit unserem breiten Reiseangebot einen Wunsch vieler zu treffen, nach dem Ende der Pandemie endlich wieder weiter weg verreisen zu können. Die erwartete Reiselust war im ganzen Jahr 2022 in der Tat unglaublich gross – nur erstreckte sie sich eher auf Regionen, in der wir nicht präsent sind: wie viele Freunde und Verwandte flogen in die USA, oder wieder mal ans Mittelmeer – und schreckten, aus naheliegenden Gründen, vor Entdeckungen in östlichen Gefilden zurück.

Schwierige Logoauswahl..

Wir können es niemandem verargen – uns selber verging die Reiselust Mitte-Ende Februar 2022 so gründlich: der Ukraine-Krieg war das Thema, das uns auf Trab hielt. In der Ohnmacht, die dem Kriegsausbruch folgte, nahmen wir alle drei etwa an jeder Demo in Bern, Zürich, Basel und Berlin teil. Trotz des schrecklichen Anlasses war es berührend, die spontan aufkeimende Solidarität zu sehen. Später fanden wir alle drei einen sinnvollen Einsatzort für unsere Kräfte und Kenntnisse – sei es bei der Erstbetreuung der Geflüchteten im Berliner Hauptbahnhof, als Übersetzer bei der Registrierung der Flüchtlinge in einem Berner Asylzentrum oder bei der Sozialhilfe in Basel. Natürlich ärgerten wir uns über das peinlich lange andauernde Abwarten der (Schweizer) Politik, aber immerhin half der Druck (auch) von der Strasse, dass die Schweiz sich den Sanktionen anschloss und ein (wenn auch viel zu wenig weit gehendes) Druckmittel gegen den russischen Imperialismus und den verbrecherischen Angriffskrieg entstand.

Im März fanden wir zaghaft in den Alltag zurück, und setzten trotz allem unsere Reiseplanungen fort. Angereist via verschlungene Pfade (Engelberg-Vitznau-Rigi Kulm-Luzern-Weggis), um noch einige schöne alte Bergbahnen ‘mitzunehmen’, gelangten wir nach Weggis am Vierwaldstättersee, wo unsere Frühjahrsretraite stattfand – dort hissten wir als erstes die ukrainische Flagge, und stürzten uns dann in die Detailplanung der Kaukasusreisen (geplant waren ursprünglich derer drei) und der Baltikumsreise. Während sich für die Baltikumsreise eine sehr tolle Gruppe zusammenfand, mussten wir jedoch einige Wochen später feststellen, dass – obwohl es die Sicherheitslage zugelassen hätte – sich zu wenige Abenteuerlustige für eine Reise in den Kaukasus begeistern konnten. Die Tage in Weggis waren dennoch eine tolle Zeit, hier in der Innerschweiz, mit schönen Bahn- und Schifffahrten sowie Spaziergängen durch historische Örtlichkeiten (Villa Rachmaninows, wo einige seiner berühmtesten Kompositionen entstanden und nahe des Zufluchtsorts Kaiser Karls I. von Österreich-Ungarn nach seiner Absetzung nach dem 1. Weltkrieg).

Der Ukrainekrieg bewirkte neben der erzwungenen Flucht von Millionen von UkrainerInnen auch die Ausreise von zahlreichen oppositionellen Künstlerinnen und Künstlern aus Belarus und Russland. Viele von ihnen führten Benefizkonzerte für die Ukraine durch – so auch eine der Lieblingsbands von Astra-Tours – “Lyapis Trubeckoj” – die schon 2014 den Soundtrack zur Revolution auf dem Majdan geliefert hatte. Wir sahen sie in Berlin am Karfreitag 2022 und etwas später auch in Zollikon bei Zürich. Ein unvergessliches Konzert zur Unterstützung der Kämpfer des Lichts‘Vojni svitla‘.

An Ostern besuchten Kilian und Silvan das traditionelle sorbische Osterreiten: eine jahrhundertealte Tradition, erstmals unterbrochen erst durch Corona. Nun ritten 2022 wieder hunderte Reiter, jeder aus seinem Dorf, in einem seit langem unverändert gebliebenen Parcours um die Felder und Haine, unterbrochen nur durch eine Mittagspause, wieder zurück zu ihrem Kirchdorf. Ein unglaublich beeindruckendes Erlebnis! Ununterbrochen beten die Reiter auf Sorbisch, der autochthonen westslawischen Minderheitensprache Sachsens und Brandenburgs. Die Gebete klingen dabei am Anfang aus voller Kehle – abends gegen 18 Uhr, am Ende des stundenlangen Ritts, schon recht abgekämpft.. Auch wenn diese lebendige Tradition nicht touristisch ist (und hoffentlich auch nicht wird) – ein Besuch des sorbischen Osterreitens können wir allen empfehlen!

Für Silvan führte die Rückreise in die Schweiz durch Tschechien – die Jugendstilperle Liberec (Reichenberg), wo ein Teil seiner Vorfahren herkommt und Budweis. Auch Tschechien, das Land mit den allerbesten Voraussetzungen für Reisen ausschliesslich per Bahn, werden wir im Rahmen einer Astra-Tours-Reise sicher wieder mal anpeilen!

Im nächsten Teil des Jahresrückblicks, der am 28. Dezember erscheint, erfahren Sie mehr von unserer Baltikumsreise im Sommer 2022.

Reisebericht Rumänien August 2021

Der 12. August 2021 stellt einen wichtigen Tag in der Geschichte von Astra-Tours dar. Lange existierte unser Reisebüro vor allem in unseren Köpfen – wir diskutierten über mögliche Reiseideen, praktische Ausgestaltungen und “Philosophie” des Reisebüros. Es brauchte eine Wanderreise ins winterliche Oberengadin im Januar 2021, um endlich den konkreten Entschluss zur Durchführung einer geführten Reise im Sommer 2021 zu fassen. Mögliche Reisedestinationen hatten wir genug, aber schlussendlich fiel unsere Wahl auf Rumänien (Siebenbürgen). Die monatelangen Vorbereitungen fanden am 12. August um 21 Uhr ihr vorläufiges Ende, als sich unsere zehnköpfige Reisegruppe am Zürcher Hauptbahnhof traf. Und das langerwartete Abenteuer konnte beginnen.

Budapest – 13. August 2021

Unsere Reise startete so, wie wir am liebsten alle Reisen beginnen würden, nämlich mit einer gemütlichen Nachtzugfahrt von Zürich nach Budapest. In den komfortablen Vierbettabteilen konnten sich die sich noch nicht bekannten Reisenden schon bestens kennenlernen und die letzten Reiseinformationen übermittelt werden. Die morgendliche Ankunft am wunderschönen, im Neorenaissancestil erbauten Budapester Ostbahnhof (keleti pályaudvar) war an sich schon ein Highlight, jedoch bloss die erste Sehenswürdigkeit an diesem programmreichen ersten Reisetag. Nach einem ausgiebigen Frühstück ging es in die Budapester Innenstadt. Zuerst sahen wir uns die Grosse Synagoge und den Holocaust Memorial Park an, wo die Reiseleitung einen kurzen Exkurs zur jüdischen Geschichte der Stadt vortrug. Durch das ehemals jüdische Viertel ging es anschliessend weiter zur St. Stephansbasilika und zum Freiheitsplatz, wo wir eine frei zugängliche, von kritischen Stadtbewohner*innen gestaltete Ausstellung zur Rolle Ungarns im Zweiten Weltkrieg besuchten. Nach einem Abstecher zum grössten Parlament Europas und einer von allen herbeigesehnten kurzen Tramfahrt nahmen wir unser Mittagessen in einem bekannten Fischrestaurant (Horgásztanya Vendéglő) nahe der Donau im Budaer Stadtviertel ein. Nach dem anstrengenden Morgenprogramm kam am Nachmittag die Belohnung: Gemeinsam entspannten wir uns in den heissen Becken und Saunas des ältesten türkischen Bades von Budapest, dem Rudas Fürdő. Angenehm ausgeruht fuhren wir zum Bahnhof zurück, kauften uns ein kleines Abendessen ein und bezogen die zweite Nacht in Folge unsere gemütlichen Nachtzugabteile.

Sibiel / Săliște – 14.-16. August 2021

Nach einer mehr oder weniger erholsamen, da durch Grenzkontrollen unterbrochenen, Nacht kommen wir mit einer angenehmen Verspätung am immer noch frühen Morgen in Sibiu/Hermannstadt an. Das große Gepäck lassen wir am Bahnhof und begeben uns, von der Morgensonne beschienen, in Richtung Altstadt, um in einem schönen Café in der Unterstadt ausgiebig zu frühstücken. Anschließend verschaffen wir uns mit einem kleinen Stadtrundgang einen ersten Eindruck über die Stadt, unter anderem mit einem Besuch des Zibinsmarktes, wo von Produzenten aus der Region vor allem wunderbares Obst und Gemüse angeboten wird. Am Nachmittag steigen wir in einen geringfügig überheizten Zug, der uns nach Sibiel bringt – in diesem schönen Dorf werden wir die ersten zwei Nächte in Rumänien verbringen. In der Pension von Familie Ciortea gibt es auch Abendessen, und gleich am ersten Abend verzauberte uns die Gastgeberin Ana Sarmale mit ihren grossartigen, typisch rumänischen Krautwickeln mit Reis-Hackfleisch-Füllung. Besser konnte es gar nicht losgehen und alle gehen gesättigt und zufrieden ins Bett.

Am nächsten Morgen besuchen wir die orthodoxe Kirche im Dorf und erhaschen einen Einblick in den bestens besuchten Gottesdienst, ehe wir das benachbarte Hinterglasikonen-Museum besuchen und fachkundig von der Leiterin herumgeführt werden. Anschließend steht, unterbrochen vom Mittagessen im Restaurant, ein Spaziergang zum Kloster oberhalb des Dorfes an. Den Tagesausklang bilden der Souvenirkauf im Volkskunstladen und das wiederum hervorragende Abendessen von Frau Ciortea.

Am Montag verlassen wir Sibiel nach einem kleinen Frühstück schon wieder – der größte Teil der Gruppe fährt mit zwei Autos ins benachbarte Städtchen Săliște, die restlichen vier nehmen die Stunde Fußmarsch auf sich. In Săliște angekommen, machen wir uns sogleich auf zum allwöchentlichen Markt, der uns mit seinem geschäftigen Treiben und dem leckeren Geruch von Gegrilltem anlockt. Neben Gemüse, Fleisch und Alkohol, werden auf dem Markt auch Kleider und lebenden Tiere feilgeboten. Das Highlight des Besuches ist zweifellos – zumindest für alle Fleischessenden – der kurze Zwischenstopp bei einem Mici-Stand (eine rumänische Art von Čevape), wo wir uns ein grosses zweites Frühstück/Mittagessen gönnen. Per “Mikrobus” geht es anschliessend weiter nach Hermannstadt, dem historischen und politischen Zentrum der Siebenbürger Sachsen, wo wir die nächsten zwei Tage verbringen werden.

Sibiu – 16.-18. August 2021

Am späten Nachmittag fuhren wir mit dem Bus an den südlichen Stadtrand ins Astra-Freilichtmuseum, wo es verschiedenste historische Gebäude aus den unterschiedlichen Regionen Rumäniens zu bewundern gibt. Die Reiseleitung versorgte die Teilnehmenden mit dem notwendigen Kontextwissen und übte sich in Kulturvermittlung, konnte aber leider auch nicht verhindern, dass ein Teilnehmer von einem Esel gebissen wurde (der Schreck war um einiges grösser als die “Wunde” und das Ereignis wurde mit Humor genommen). Im Restaurant des Freilichtmuseums kamen wir in den Genuss der traditionellen rumänischen Küche inklusive Champagner.

Nach dem sehr anstrengenden Programm der ersten Tage gönnte die Reiseleitung sich selbst und den Teilnehmenden einen freien Morgen. Am Nachmittag beschäftigten wir uns mit der religiösen Diversität von Siebenbürgen und besichtigten die rumänisch-orthodoxe Kathedrale, die Synagoge und schliesslich die Evangelische Stadtpfarrkirche. Im Anschluss fahren wir mit dem Zug ins nahegelegene Ocna Sibiului, wo wir in den warmen Salz- und Schlammseen baden und entspannen. Nach einer ordentlichen Stärkung mit ungarischem Lángos und Kürtőskalács geht es wieder zurück nach Sibiu. Am nächsten Vormittag steht nur ein kleiner Stadtbummel auf dem Programm, bevor wir Sibiu am frühen Nachmittag in Richtung Süden verlassen.

Cozia-Massiv / Călimănești – 18.-20. August

Wir fahren – für einmal leider nicht mit dem Zug, sondern per Bus – ins Alttal in den Thermalkurort Călimănești, der südlich der Karpaten liegt – unterwegs überschreiten wir also die Grenze von Siebenbürgen in die Walachei. Es ist schlechtes Wetter angesagt, das uns gegen Abend auch erwischt, aber immerhin schaffen wir es das auf einer Flussinsel gelegene Ostrov-Kloster zu besichtigen. Das eigentliche kulturelle Highlight des Abends ist aber die realsozialistisch anmutende Bewirtung im großen Speisesaal eines Kurhotels, inklusive eiskaltem Rotwein. Das Fazit der Reiseteilnehmenden war geteilt – von grenzenlosem Enthusiasmus bis “schlechtestem Essenserlebnis” war alles dabei.

Am Folgetag stehen wir früh auf, denn vor uns liegt der Aufstieg zur Cozia-Hütte, die auf 1573m Höhe liegt – das bedeutet für uns, 1300 Höhenmeter zurückzulegen!
Erster Wegpunkt ist das Stănișoara-Kloster, dessen Innenhof sich wunderbar als Pausenort anbietet und an dessen Brunnen die Flaschen mit frischem Gebirgswasser aufgefüllt werden. Die Wanderung ist steil und anstrengend, bietet uns allerdings immer wieder großartige Ausblicke ins Tal. Als wir am Nachmittag alle wohlbehalten bei der Hütte eintreffen, ist die Freude und der Stolz über das Geschaffte groß – nun wird erst einmal Bier auf der Sonnenterasse getrunken. Zum Abendessen serviert der Hüttenwirt Suppe und Schweinenacken oder Omelette, eine äusserst willkommene Stärkung nach einem anstrengenden Tag. Nach ausgiebigem Tee- und/oder Alkoholkonsum und Kartenspiel fallen wir alle erschöpft in die gewöhnungsbedürftigen Betten im Schlafsaal.

Am Morgen steht eine kleine Fraktion besonders früh auf, um sich den Sonnenaufgang auf den Bergen und das Nebelmeer unten im Tal anzusehen – der Ausblick belohnt das frühe Aufstehen zu 100 Prozent, jedoch lassen sich die vom Hüttenwirt angekündigten Gämsen leider nicht blicken. Nach dem Frühstück fährt ein großer Teil der Gruppe motorisiert ins Tal, während der Rest einen längeren, aber flacheren Weg bergab wählt, um sich dann ebenfalls mit dem Auto wieder in den Thermalkurort Căciulata im Alttal chauffieren zu lassen. Dort steht die Besichtigung des Klosters Cozia von 1388 sowie ein entspannender Badebesuch im berühmten Thermalwasser an. Am späten Nachmittag fahren wir mit einem Regionalzug zurück nach Sibiu, eine langsame, aber sehr schöne Reise dem Flusstal entlang, die wir größtenteils am offenen Fenster genießen.
Den letzen gemeinsamen Abend in Sibiu verbringen wir bei einem sehr guten Abendessen im Keller des Restaurants Crama Sibiană direkt in der Altstadt – laute Musik, festliche Stimmung und deftiges Essen bilden einen würdigen Abschluss unseres Rumänienaufenthaltes.

Rückreise über Mediaș / Wien – 21.-22. August

Heute ist schon unser letzter Tag in Rumänien – ein Teil der Gruppe besucht das ethnographische Museum, die anderen gehen nochmal in den museumseigenen Volkskunstladen, um traditionelle Andenken zu erwerben. Am Nachmittag heißt es Abschied nehmen von Hermannstadt – wir holen unser Gepäck aus dem Hotel und gehen zum Bahnhof, um erst einmal nach Mediaș zu fahren, wo wir noch gut zwei Stunden Zeit haben. In Mediaș hält sich die Entdeckungslaune bei den meisten in Grenzen – die lange Reise hat allmählich Spuren hinterlassen. Wir setzen uns in ein gemütliches Café in der Innenstadt, trinken Café und Limonade und schreiben Postkarten, bevor wir doch noch kurz zur pittoresken Evangelischen Margarethenkirche gehen. Rechtzeitig sind wir wieder am Bahnhof, um in den Nachtzug nach Wien einzusteigen und unsere Liege- bzw. Schlafabteile zu beziehen. Gemeinsam treten wir den Weg durch überfüllte Sitzwagen in den Speisewagen an, wo es Schweinekotelett oder Hühnerbrust mit Pommes Frites und Salat gibt, dazu verschiedene deutsche, österreichische und niederländische Biersorten, die wir nach und nach probieren, ehe der Speisewagen unterwegs Feierabend hat und abgehängt wird. Für uns das Signal, langsam ins Bett zu gehen.

Nach der Ankunft in Wien genießen wir noch ein wunderbares gemeinsames Frühstück in einem Café in Bahnhofsnähe und machen einen kurzen Spaziergng zum Schloss Belvedere. Nach und nach besteigen alle Teilnehmenden ihre Züge in Richtung Schweiz und Deutschland, ehe die letzten Reisenden Wien um 15.30 verlassen.

Die unmarkierten Fotos wurden direkt von den Reiseleitern aufgenommen.
Wir bedanken uns besonders bei Pablo Alföldi (PA) und Lucien Oppliger (LO), dass sie uns ihre privaten Reiseaufnahmen zur Verfügung gestellt haben. Die entsprechenden Fotos sind mit ihren Kürzeln gekennzeichnet.